Wir beraten Sie gerne:
Büro Wien: +43-1-3619904
Büro Linz: +43-732-272850
SCROLL

Rechtsschutzversicherung - OGH gibt einem von Aigner Lehner Zuschin vertretenen Versicherungsnehmer in wesentlichen Punkten recht

Der durch unserer Kanzlei vertretene Kläger zeichnete Anleihen der Wienwert AG (kurz: „Emittentin“), über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger beabsichtigte, Ansprüche gegen den Masseverwalter bzw. die Wienwert AG zu verfolgen. Die Emittentin veröffentlichte einen Kapitalmarktprospekt im Sinne des KMG und erstellte zusätzlich Werbeunterlagen. Die Inhalte der ausgegebenen Informationsgrundlagen (KMG- Prospekt und Werbung) waren nach dem Standpunkt des Klägers irreführend und unvollständig. Der Kläger stützte seine Ansprüche auf Prospekthaftung nach § 11 KMG sowie eine Ersatzpflicht wegen Werbeverstößen nach § 4 KMG (Schutzgesetzverletzung im Sinne der §§ 1295ff und 1311 ABGB). Darüber hinaus wurden dem Kläger auch in einem Verkaufsgespräch mit einem Mitarbeiter der Emittentin unrichtige Auskünfte erteilt. In diesem Umfang stützte der Kläger seine Ansprüche auch auf vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzungen.

Der Kläger hatte in seinem Versicherungsvertrag den „Versicherungsbaustein“ für allgemeinen „Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz“ (Art 19) nicht jedoch den Baustein „Allgemeiner Vertragsrechtsschutz“ (Art 23). Die auf den Versicherungsvertrag des Klägers anwendbaren allgemeinen Versicherungsbedingungen (kurz: „ARB“) sahen in Art 19 einen sogenannten Abgrenzungsausschluss vor. Nach diesem wäre zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen die Geltendmachung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen sowie die Geltendmachung von Ansprüchen wegen reinen Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, oder aus der Verletzung vorvertragliche Pflichten entstehen (versicherbar in Art 23) nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die Versicherung vertrat im Verfahren die Rechtsauffassung, dass aufgrund dieses Ausschlusses überhaupt keine Deckungspflicht für den Schadensfall bestehen würde, da die Ansprüche gegen den Vertragspartner des Klägers gerichtet wären und daher ausschließlich aus einem Vertrag abzuleiten wären und sohin unter den Baustein „Allgemeiner Vertragsrechtsschutz“ zu subsumieren wären. Die Deckung nach Art 19 würde generell ausscheiden.

Der OGH (7 Ob 141/20s) folgte jedoch der Rechtsauffassung des Klägers und bekräftigte dabei seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Prospekthaftung nach § 11 KMG der Haftung aus vorvertraglichen Pflichtverletzungen (cic) am nächsten kommt, jedoch auf spezifische kapitalmarktrechtliche Bestimmungen zurückzuführen ist und daher eine gesetzliche Haftungsbestimmung darstellt. Auch bei § 4 KMG handelt es sich um Schutzgesetzte im Sinne des § 1311 ABGB und daher um gesetzliche Pflichten, deren Verletzung schadenersatzpflichtig machen können. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer würde aber eine Haftung, welche auf die Verletzung gesetzlicher Pflichten abstellt und auch unabhängig von einer Vertragsbeziehung bestehen kann, nicht dem Abgrenzungsausschluss unterstellen. Dass vertraglichen Ansprüchen der Vorrang zu gewähren wäre, findet laut OGH auch keine Deckung im Wortlaut des Abgrenzungsausschlusses. Eine andere Auslegung würde nach unserer Auffassung sonst dazu führen, dass das in Art 19 (allgemeiner Schadenersatzbaustein) versicherte Risiko in einem hohen Maße ausgehöhlt wäre. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten (vor)vertraglichen Ansprüche verneinte der OGH allerdings die Deckungspflichtversicherung, da in diesem Umfang der Abgrenzungsausschluss Anwendung finden würde, was im Ergebnis angemessen erscheint.

Nach unserer Auffassung kann des Ergebnis des OGH bezogen auf den Ausgangsfall aber zu keiner Einschränkung des Versicherungsschutzes führen, zumal sich die gesetzlichen/kapitalmarktrechtlichen Sonderbestimmungen mit den vorvertraglichen Pflichten weitgehend überlagern. Der Versicherungsschutz könnte allenfalls nur insoweit nicht gegeben sein, als Verfahrensaufwand ausschließlich der Prüfung von (vor)vertraglichen und eben nicht auch gesetzlichen Pflichten zuordenbar wäre.

Erwähnenswert ist auch, dass die Versicherung im Verfahren behauptete, der Polizze des Klägers wären ARB zugrunde gelegen, nach denen ein Ausschluss für Schäden im Zusammenhang mit Veranlagungen in Finanzinstrumente bestehen würde. Der behauptete Ausschluss entstammte jedoch ARB, welche laut Standpunkt der Versicherung nach einer vom Versicherungsvertreter eingeleiteten Vertragsverlängerung zur Anwendung gelangt wären. Im Verfahren hat sich jedoch herausgestellt, dass der Kläger im Zuge der Vertragsverlängerung nicht auf eine Einschränkung des Versicherungsschutzes bzw. überhaupt auf die „neu“ anzuwenden ARB hingewiesen wurde, weshalb die von der Versicherung behaupteten „neuen“ ARB (schon laut den Entscheidungen der Vorinstanzen) nicht dem Versicherungsvertrag des Klägers zu Grunde zu legen waren. Aus unserer Sicht kann die Anwendbarkeit von „neuen“ ARB insbesondere im Verbrauchergeschäft nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Versicherungsnehmers erfolgen. Eine Verschlechterung in den Bedingungen ist nur bei ordnungsgemäßer Aufklärung und entsprechender Zustimmung des Versicherungsnehmers möglich.

„Es kommt leider immer wieder vor, dass Versicherungen die Deckung vorschnell zu Unrecht ablehnen. Viele Versicherungsnehmer schrecken in dieser Phase oftmals vor einem Aufwand zurück. Schadensfälle können jedoch hohen Kostenaufwand nach sich ziehen, weshalb eine anwaltliche Überprüfung einer Deckungsablehnung jedenfalls empfehlenswert ist, was nicht zuletzt der Ausgangsfall bestätigt.“

10.11.2020, RAA Maximilian Weiser, LL.M. (WU)

Aktuelles von Aigner Lehner Zuschin

Newsletter

Presse

News

Zum Newsarchiv